Mystik als persönliche Gottes- und Gnadenerfahrung kann ohne Wort und Bild vor sich gehen, sie kann aber auch von Visionen oder Erscheinungen begleitet sein, die nur der Mystiker sieht. Außenstehende können Ereignisse wie Ekstase, Stigmatisation, Elevation (= körperliches Emporschweben) und andere Veränderungen am Visionär selbst oder auch in seiner Umgebung wahrnehmen, nicht jedoch seine innere Erlebniswelt. Während in der Medizin Visionen als „Halluzinationen“, d.h. Wahrnehmungen eines nicht vorhandenen Objekts und als Sinnestäuschungen oder Wahnvorstellungen definiert werden, die eventuell einer Behandlung bedürfen, meinen Visions-Erfahrungen wie die von Columba und vielen anderen etwas ganz verschiedenes. Sie beziehen sich auf ein reales, aber nicht sinnenhaft wahrnehmbares Objekt, weil sie Begleiterscheinungen der Gottesbegegnung im Gebet sind. Visionen können vom Empfänger schriftlich festgehalten werden, wie das bei Columba in ungewöhnlicher Weise der Fall ist, und auf diese Weise indirekt Außenstehenden zugänglich sein.
Die christliche Mystik geht vom Höhepunkt der Geschichte Gottes mit den Menschen aus, nämlich seiner Menschwerdung in Jesus Christus. Dieser wirkt im Heiligen Geist in der Kirche und im Herzen des Glaubenden. Der Auferstandene lebt verborgen im Herzen des Glaubenden, kann jedoch in Bildern und Zeichen aus der Erfahrung, der Liturgie, der Bibel und der Kunst anschaulich werden. Der Weg dahin ist das Gebet als Selbstöffnung für das Geheimnis Gottes. Dabei ist den echten Visionären immer bewußt, daß ihr Erleben ein geheimnisvolles Geschenk ist, vor dem sie selbst sprachlos sind. Die Spannung von Nähe und Distanz des Mystikers zu Gott bleibt im irdischen Leben bestehen und ist sowohl leidvoll wie beglückend, was bei Columba sehr deutlich ist.